Kirchenmusikwoche 2022 in Disentis
Unter dem Titel „Spirito subito – Rütti meets Rutter“ fand vom 10.-14. Oktober die 9. Churer Kirchenmusikwoche im Kloster Disentis statt. Der Geist stand also über der ganzen Woche. Und von Begeisterung war viel zu spüren, sowohl bei den rund 60 Teilnehmenden als auch bei den Verantwortlichen und Leitenden der Ateliers. Sowohl in der Zusammensetzung der Teilnehmenden als auch in den Themen der Ateliers spiegelte sich die Vielfalt der kirchenmusikalischen Bereiche wider, von Chorgesang über Orgelspiel bis hin zu Dirigat konnte geübt und praktiziert werden.
Praktisch alle Teilnehmenden trafen sich am Morgen nach dem Morgengebet im Gesamtchor. Unter der Leitung von Ruth Mory-Wigger wurde hier durch intensives Einsingen das Fundament für die gesangliche Arbeit des ganzen Tages gelegt. Inhaltlich wurden mehrere Sätze der Pfingst-Gesänge des Schweizer Komponisten Carl Rütti und kleinere Stücke des ebenfalls zeitgenössischen britischen Komponisten John Rutter erarbeitet. Es war ein besonderes Erlebnis, mit einem gut besetzten und motivierten Chor jeweils die Arbeit des Tages zu beginnen. Nach dem Einsingen begaben sich die Teilnehmenden dann in die verschiedenen Ateliers.
Orgelatelier
Das Orgelatelier wurde geleitet vom Stiftsorganist der Abtei Einsiedeln, P. Theo Flury OSB und dem Organisten der Klosterkirche Muri AG, Johannes Strobl. Im Mittelpunkt stand, passend zum Gesamtthema, Orgelmusik zu pfingstlichen Motiven, die die Teilnehmenden selbst mitbrachten, und zu deren Interpretation sie sich Tipps der beiden Dozierenden abholen konnten. Von diesen Rückmeldungen konnten auch die übrigen Teilnehmenden jeweils profitieren. Ein kleiner Höhepunkt für Organistinnen und Organisten war der Orgelmeisterkurs im Improvisieren an der Grossen Orgel der Abteikirche in Disentis am Dienstag. P. Theo zeigte einerseits seine improvisatorische Kunstfertigkeit und gab aber andererseits hilfreiche Hinweise für das Anwenden in der eigenen kirchenmusikalischen Praxis.
Brennpunkt Kirchenmusik
„Brennpunkt Kirchenmusik“, so lautete die Überschrift des Ateliers, das Martin Hobi leitete. Mit dem Input verschiedener Gäste, vor allem aber mit seinem eigenen fundierten Wissen, führte er die Zuhörerinnen und Zuhörer durch Bemerkenswertes aus der Kirchenmusik aus Geschichte und Gegenwart.
Gregorianischer Choral
Dass der Gregorianische Choral kein Relikt aus längst vergangenen Zeiten ist, sondern auch und gerade in heutiger Zeit Bedeutung hat und Kraft entfalten kann, konnten die Teilnehmenden im Atelier „Spiritus flat ubi vult – Der Geist weht, wo er will“ erleben. Unter der kompetenten und akribischen Leitung von David Eben, Professor an der Karlsuniversität Prag, wurden verschiedene Stücke aus der Tradition des Gregorianischen Chorals erarbeitet und – wie nebenbei – die Gregorianik historisch eingeordnet und eine Einführung in die Notation gegeben. Ein Höhepunkt des Ateliers war sicher die von der Gruppe gestaltete Sext am Mittwoch.
Praxis Chorleitung
Wie geht dirigieren? Ein Atelier beschäftigte sich unter der Anleitung der Churer Chorleiters Heinz Girschweiler mit der Praxis der Chorleitung, samt Ideen zu Stimmbildung, Probenvorbereitung und -gestaltung, sowohl für Anfänger*innen als auch für Musiker*innen mit Erfahrung in der Leitung von Chören. In der kleinen Gruppe wurden wertvolle Hinweise und individuelle Rückmeldung gegeben. Bemerkenswert waren die Übungssequenzen mit dem Kammerchor, bei denen praktische Erfahrungen gesammelt werden konnten.
Dieser Kammerchor mit erfahrenen Sänger:innen erarbeitete unter der Leitung von Udo Zimmermann anspruchsvollere Chorliteratur zur Heilig-Geist-Thematik aus verschiedensten Epochen. Besonders beeindruckend war die sechsstimmige Motette „Nun bitten wir den heiligen Geist“ von Johann Walter, die in der Eucharistiefeier am Donnerstagabend gesungen wurde.
Vokaler Spirit
Dass Chormusik im kirchlichen Bereich auch mit kleineren und weniger ambitionierten Chören begeistert gelingen kann, zeigte das Atelier „Vokaler Spirit“. Valérie Halter, Sarnen, und Jürg Wasescha, Davos, leiteten die Gruppe in der ersten Wochenhälfte. Am Mittwoch übernahm dann Maja Bösch. Es war eine besondere Ehre und Freude, dass somit die neue Präsidentin des Schweizerischen Katholischen Kirchenmusikverbands an der Kirchenmusikwoche teilnahm und sogar einen Beitrag leistete.
Parallel zu den Ateliers gab es die Möglichkeit der individuellen Stimmbildung, die eifrig genutzt wurde.
Neben den Ateliers und der Arbeit im Gesamtchor wurde auch im Morgenlob gesungen, mit dem jeweils der gemeinsame Tag startete und das von unterschiedlichen Organisten und Kantor:innen und einem geistlichen Impuls zu den Sieben Gaben des Heiligen Geistes gestaltet wurde. Am Montag Abend referierte unser Vorstandsmitglied Valérie Halter über das interessante Thema „Chorsingen und Wohlbefinden“.
Höhepunkte waren die beeindruckende halbstündige Improvisation des Einsiedler Stiftsorganisten P. Theo Flury OSB an der Grossen Orgel, die zur Vesper am Dienstag hinführte und die Eucharistiefeier mit Abt Vigeli Monn zusammen mit der Klostergemeinschaft am Donnerstag Abend, zu dessen musikalischer Gestaltung die verschiedenen Ateliers beitrugen. Gemeinsam mit der Klostergemeinschaft feierten wir am Freitag Abend die abschliessende Schlussvesper. Im Zentrum standen Werke von Carl Rütti, der selbst an der Orgel spielte, und John Rutter, ergänzt durch gregorianische Gesänge und die Motette „Ubi caritas – der Geist des Herrn“ von Erwin Mattmann, der eigens für seine Komposition nach Disentis angereist ist.
Eine Kirchenmusikwoche lebt aber nicht nur von der Arbeit und den gemeinsam gefeierten Gottesdiensten. Eine Woche lang intensiv vom Morgen bis zum Abend musizieren kann durchaus anstrengend sein, sowohl für die Dozierenden als auch für die Teilnehmenden. Umso schöner ist es, wenn dies im wunderbaren Disentis stattfinden kann, in einer Landschaft, in der andere Urlaub machen. Schöne Zimmer und sehr gutes und reichhaltiges Essen sorgten für ein gutes Wohlbefinden während der Woche. Bei viele Gespräche in den Pausen und bei den Mahlzeiten lernten sich die Teilnehmenden aus den verschiedenen Regionen des Diözesanen Kirchenmusikverbands kennen und tauschten Erfahrungen und Ideen aus. Allen Mitwirkenden wird der Bunte Abend in Erinnerung bleiben mit den vielen Beiträgen von Dozierenden und Teilnehmenden, mit viel Musik und Gesang und feinem Essen.
Dank an die Klostergemeinschaft
Der Klostergemeinschaft sei Dank gesagt für die Gastfreundschaft und die sehr gute Betreuung während der Woche. Der Kantor, P. Theo war immer präsent, wenn er gebraucht wurde, sang sogar mit bei der Gregorianischen Sext und führte am Mittwoch Nachmittag Interessierte durch Kirche und Kloster. Br. Stefan, der Klosterorganist, stellte danach die Grosse Orgel von Franz Gattringer von 1934 vor, die 2020 von Orgelbau Kuhn gesamterneuert wurde.
Besonders dankbar können wir sein, dass die 9. Churer Kirchenmusikwoche wieder ohne Corona-Einschränkungen durchgeführt werden konnte, was das gemeinsame Singen, den gegenseitigen Austausch, die Mahlzeiten und die vielen Begegnungen sehr erleichterte.
Abschliessend kann gesagt werden, dass ein guter Geist durch diese Woche wehte und die Teilnehmenden hoffentlich für ihre Arbeit und ihr Engagement, sie es als Hauptamtliche, sei es als Ehrenamtliche, für ihr Musizieren in Kirche und Gottesdienst neu inspirierte. Ein besonderes Dankeschön gilt unserer Sekretärin Patricia Visini, die mit viel Herzblut als guter Geist die Woche administrativ und dekorativ begleitete. Herzlichen Dank allen, die diese Woche ermöglichten – und wir freuen uns auf die 10. Churer Kirchenmusikwoche 2024!
Martin Conrad